Seelsorge in der frühen Anstaltspsychiatrie

Die Anstaltspsychiatrie beanspruchte heilerische Kompetenz in Bezug auf Seelenkrankheiten und wies der traditionellen Pastoralmedizin eine untergeordnete Rolle zu. Der Hauskaplan, 1842 mit 400 Gulden und einem Holz- und Kerzendeputat jährlich entlohnt, war dem Direktor in allen nicht rein geistlichen Amts- und Dienstsachen Gehorsam schuldig. Sein Wirkungsbereich erstreckte sich ausdrücklich nur auf die "Irren", nicht auch auf das Wartpersonal. Er musste Messe lesen und religiösen Unterricht in deutscher und italienischer Sprache erteilen. Zu seinen Seelsorgepflichten zählten Sterbendenbegleitung, Einsegnung der Toten sowie Abnehmen der Beichte, wofür aber jeweils ein entsprechendes Gutachten des Primararztes einzuholen war. Aus der Behandlung der "religiös Wahnsinnigen" sollte er sich heraushalten, dafür war seine Mitwirkung bei der Belehrung besorgter Angehöriger umso erwünschter. Bereits der erste Irrenhauskaplan Stephan Raffeiner entsprach kaum diesem eingeschränkten Stellenprofil, noch weniger Sebastian Ruf, selbst Autor mehrerer psychiatrischer Schriften. M.H.

Die in der psychiatrischen Anstalt Pergine in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts tätigen Ordensschwestern. Quelle: Fotoarchiv Luciano Dellai.