Die psychiatrische Versorgung in Südtirol – Reformbewegung

In den späten 1960er und den frühen 1970er Jahren wurde in der Provinz Bozen der Bau eines eigenen psychiatrischen Krankenhauses geplant. Die Pläne konnten aber wegen der beginnenden Reformbewegung nicht mehr verwirklicht werden. Das Gesetz 431 von 1968 sah die Errichtung von psychiatrischen Abteilungen und Ambulatorien an den Allgemeinen Krankenhäusern vor, ermöglichte freiwillige Aufnahmen und mit dem Aufenthalt in einer solchen Abteilung war nicht länger ein Eintrag ins Strafregister verbunden. Das Landesgesetz Nr. 37 von 1976 griff der staatlichen Reform von 1978 vor und war ein weiterer wichtiger Schritt zur ambulanten, territorialen Betreuung. Die Schließung der Anstalten zog sich aber bis in die 1990er Jahre hin – der Aufbau alternativer Versorgungseinrichtungen war langwierig. Viele PatientInnen wurden in Alters-, Behindertenheime und Privatkliniken verlegt (die von der Reform ausgenommen waren) oder in ihre Familien entlassen. Überlastung von Angehörigen wurde so ein zunehmend diskutiertes Thema und Kritik an den Reformen wurde laut. Mittlerweile gibt es in allen Südtiroler Bezirken "Zentren für psychische Gesundheit" (ZPG), Wohnheime und andere Einrichtungen für die Betreuung psychisch kranker Menschen sowie Vereine für Angehörige. Kritik an diesem Betreuungssystem, gerade in akuten Fällen, gibt es nach wie vor, da diese Anlaufstellen nachts und an Wochenenden nicht besetzt sind. S.M.


Literatur:
  • Sabina Bertone, Die Entwicklung der Psychiatrie in Südtirol, unveröffentlichte Dipl. Innsbruck 1998.
  • Sigrid Dorfer, Psychiatrische Versorgung in den Südtiroler Sanitätseinheiten Ost und Nord. Ein Vergleich zur psychiatrischen Versorgung in Nordtirol am Beispiel des Bezirkes Innsbruck – Land, unveröffentlichte Diss. Innsbruck 1986.
  • Giuseppe Pantozzi, Die brennende Frage. Geschichte der Psychiatrie in den Gebieten von Bozen und Trient (1830- 1942), Trient 1989.